GEHTEXT vom 14. 12. 2013 FEUCHTE GEBIETE: Der Marchfeldkanal
Hinter den Apfelbäumen lag flach wie ein Brett die
Ebene. Außer Kartoffeln und Rüben war in diesem Herbst nichts mehr zu ernten.
Die verschleierte Sonne hing uralt über den Stoppelfeldern. Der Septembernachmittag
war voller Spinnweben. „Stinkfad, dieses Marchfeld, eine Gegend, in der einem
die Füße einschlafen“, meinte Mehlmann zu seinem Nachbarn im schäbigen Fond der
Kalesche. „Mir gefällt jede Ebene“, erwiderte Petrik. „Überhaupt wenn sie so still
und leer ist wie hier.“
So beschreibt Gerhard
Fritsch, der Vater des Buchhändlers aus unserem letzten Walk, in seinem Roman
MOOS AUF DEN STEINEN die Marchebene. Ich bin sehr beeindruckt von dieser
flachen Gegend, ein reizvoller Kontrast zu den steilen Hügeln des Wienerwaldes.
Aber noch sind wir nicht dort. Mit dem 31er vom Schottenring bis nach
Floridsdorf gefahren, in den Bus der Linie 33B umgestiegen und bei der Station
Schwarzlackenau ausgestiegen. Durch den Uhuweg und schon sind wir beim
Schönungsteich. Herrlich. Der Leopoldsberg spiegelt sich im Wasser und der
weiße Fleck im Gras entpuppt sich als Schwäne im Liebesnest. Ein Graffito mit
Jimi Hendrix und seiner Gitarre lässt mein Streetartherz höher schlagen. Der
Himmel ist knallblau, strahlendes Wetter, die Sonne scheint. Winterlicht. Wir
gehen bis zum Ende des Teiches und auf der anderen Seite weiter. Der
Marchfeldkanal fängt zwar bei der Donau an, aber den Weg neben der
Donauuferbahn erspare ich mir und meinem Hund. Rote Beeren, Stachelbeeren, Schilf,
Binsen und die Schwäne schwimmen in gleißendem Licht auf mich zu. Sie genießen
es, photographiert zu werden und ihre schneeweißen Federn strahlen in ihrer
ganzen Pracht. Sterne auf dem Wasser durch die Lichtreflexion. Ich bin selig.
Wenn ich nur eine bessere Kamera hätte….aber die Realität ist immer viel
schöner als die Photos, tut mir leid. Selber gehen, selber schauen! Überall
BADEN VERBOTEN und PRIVATWEG Schilder. Muss das sein? Am Ende des Weges werden
wir aber auf einen hübschen Badeteich treffen, der uns darüber hinweg tröstet.
Weiter gegangen, bis wir zu einer Straße kommen. Das ist der Mühlweg, ich kenne
mich nicht mehr aus, gehe aber geradeaus, denn ein Informant hat mir erklärt,
dass ich über eine Holzbrücke muss. Die Holzbrücke kommt endlich, ein Schwarm
Möwen fliegt darüber hinweg und kreischt. Auf der Brücke stehen Leute, die sie
und die Enten füttern. Diese Brücke kreuzt den Graedenerweg. Jetzt sind wir endlich
auf dem richtigen Weg, es gibt keine Autos mehr, keine Straße, nur noch
beeindruckend ausgedehnte, flache Felder, die jetzt im Winter leer sind. In der
Schule haben wir gelernt, dass das Marchfeld „die Kornkammer Österreichs“
genannt wird. Der Marchfeldkanal wurde gebaut, um Wasser aus der Donau ins
Marchfeld zu leiten und es so zu bewässern. Ich sehe viele von Bibern gefällte
Bäume, beeindruckende Bauwerke. Auf den Tafeln entlang des Weges steht auch,
dass die von den Bibern angefressenen Bäume umfallen können. Sie dürfen und
sollen hier Bäume umwerfen und das Ufer zu einem Dschungel umgestalten! Wir
kommen zu einem flachen Ufer, das mich an die Sommer meiner Kindheit am Inn
erinnert, das Wasser schaut so klar und sauber aus, dass ich am liebsten
schwimmen ginge. Da, ich sehe nicht recht, meine Hündin setzt meinen Wunsch in
die Tat um und steigt vorsichtig ins Wasser, sie geht immer weiter und schwimmt
los bis ans andere Ufer, das aber nicht so weit weg ist. Ich rufe sie zurück,
sie kommt und schüttelt sich, die Sonne scheint. Alles in Ordnung. Bei der
nächsten Eisenbrücke will ich schon weiter gehen, da sehe ich einen
Mandarinerpel im Prachtkleid aus dem Schilf schwimmen. Bei so herrlichen Licht
werden seine Farben ganz besonders schön leuchten. Leider ist er schüchtern und
zu weit weg, er versteckt sich auch noch unter einem Astgewirr. Seltsam, dass
er ganz allein ist. Verstecken sich die anderen oder ist er ausgestoßen worden?
Ich sehe überhaupt keine anderen Mandarinenten. Folge ihm, unglaublich, wie
schnell er ist. Ich muss mir ja den Weg durch das Gestrüpp bahnen und er
schwimmt geradeaus. Er pfeift, so dass ich immer höre, wo er ist. Wegen den
Mandarinenten habe ich vor mehr als zehn Jahren ernsthaft zu photographieren
angefangen, deshalb ist es für mich immer eine Herausforderung. Bin eigentlich
kein Hundemensch und kein Katzenmensch, sondern ein Entenmensch. Ich liebe alle
Wasservögel, weil sie schwimmen und fliegen können. Sollte öfter hierher kommen, damit er sich an
mich gewöhnt. Wir gelangen zu einer runden Kirche. Da ist die Brünner Straße
und die Straßenbahnlinie 31, die uns zum Schottentor zurück bringt.
Der Marchfeldkanal
www.marchfeldkanal.at hat mich so beeindruckt, dass ich am Sonntag wieder
hingefahren bin. Er wurde 1983 geplant und war in den 80er Jahren das größte
Bauprojekt in Österreich. 1992 wurde das ökologische Vorzeigeprojekt offiziell
eröffnet. Der Kanal ist ungefähr 20km lang und bedenkt man, dass sich auf
beiden Seiten fast ohne Unterbrechung Wege ohne Autos befinden, ist das ein
Riesenwegenetz für WILD URBS zum Wandern und Radfahren und Erforschen.
Am Sonntag sind wir dort ausgestiegen, wo wir
gestern eingestiegen sind, bei der Station Anton-Schall-Gasse der Linie 31 und
in Richtung Gerasdorf weiter gewandert. Das ist der wohl schönste Abschnitt.
Riesige Sanddornbüsche, Feldhasen und Fasane fühlen sich hier wohl. Der
Badeteich kurz vor Gerasdorf hat mich am meisten beeindruckt. Wunderschön im
winterlichen Sonnenlicht. Im Mai komme ich sicher wieder zum Schwimmen! In
Gerasdorf sind wir bei der Kapellerfelderstraße auf die Straße abgebogen und
bis zur Schnellbahn gegangen. Sie ist leicht zu finden, weil daneben das
Raiffeisen Silo aufragt. Beim nächsten Mal gehen wir von Gerasdorf nach
Deutsch-Wagram, dann haben wir den ganzen Kanal besichtigt. Darauf freue ich
mich schon!
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